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Ist Arbeitslosengeld für alle?

Ist Arbeitslosengeld für alle?

Leider nein – obwohl (fast) alle in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, haben längst nicht alle Anrecht darauf, wenns darauf ankommt. Wen betriffts? Und worauf kommt es im Detail an?

#Personal, Versicherungen & Lohn

2.4.2024
6 min
Text: Hans Schoch,
Bilder: Nuél Schoch

Dass Selbstständigerwerbende wie Inhaber einer Einzelfirma keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, ist mehrheitlich bekannt – sie bezahlen auch keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung (ALV). Aber wie sieht es mit einem Geschäftsführer oder einer Geschäftsführerin aus?

Grundsätzlich gilt: Jede Person, die einen grossen Einfluss auf die Unternehmensentscheide hat, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Und das, obwohl sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlt. Der Grund dafür ist, dass die ALV für Arbeitnehmende gedacht ist, die ihren Arbeitsplatzverlust weder bestimmen noch beeinflussen können.

Doch wer gilt denn überhaupt als «Person, die grossen Einfluss auf Unternehmensentscheide hat»?

  • Personen, die an Entscheiden beteiligt sind, die der Arbeitgeber – also die GmbH oder die AG – trifft.
  • Personen, die solche Entscheide als Gesellschafter, Mitglieder eines leitenden Organs oder als finanzieller Anteilseigner in hohem Mass beeinflussen können.

Die ALV überprüft

Wer überprüft und bestimmt, ob sich eine Person in einer solchen Stellung befindet? Das übernimmt die Arbeitslosenkasse. Klar ist, dass Verwaltungsratsmitglieder einer AG sowie Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH kein Anrecht auf Arbeitslosengeld haben. Bei den übrigen Personen ists etwas komplizierter.

Die ALV klärt für ihren Entscheid auf Anspruch ab, welche tatsächlichen Entscheidungsbefugnisse ein Mitglied eines leitenden Organs hat. Nicht ganz einfach, denn die Grenze der Entscheidungsstufen ist nicht immer formal definiert – stellen wir uns beispielsweise ein kleines KMU vor. So kann ein Generaldirektor, der für den administrativen und finanziellen Bereich verantwortlich ist und über eine Einzelunterschriftsberechtigung verfügt, einen massgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Arbeitgebers haben. Er muss aber nicht.

Die Aufgabe der ALV ist also tricky. Hier, worauf sie sich bei ihrer Überprüfung stützt:

  • Auf das Organigramm der Firma
  • Auf den Handelsregisterauszug
  • Auf Statuten und Protokolle
  • Auf Arbeitsverträge
  • Auf die steuerliche Veranlagung zur Überprüfung der finanziellen Beteiligung

Beim letzten Punkt bedeutet das: Wenn das Ausmass der finanziellen Beteiligung der Person massgebliche Entscheidungsbefugnisse verleiht, gilt das als arbeitgeberähnliche Stellung. Aber: Der Aktienbesitz allein reicht dafür nicht aus!

Eheleute und Familie

Was in der Praxis häufig anzutreffen ist: dass der Ehemann resp. die Ehefrau im Betrieb arbeitet, in dem die Ehegattin oder der Ehegatte eine arbeitgeberähnliche Stellung hat. Diese Personen haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Ähnlich ists, wenn nachgewiesen werden kann, dass ein anderes Familienmitglied – zum Beispiel die Tochter oder der Bruder – durch die Stellung im Unternehmen einen grossen Einfluss auf die Entscheidungen des Arbeitgebers hat. In diesem Fall hat diese Person auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Aufgabe der arbeitgeberähnlichen Stellung

Wir wissen nun, dass Personen in einer arbeitgeberähnlichen Stellung keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben. Selbstverständlich gilt dies nicht mehr, wenn sie das Unternehmen verlassen oder die Stellung aufgeben.

Die arbeitgeberähnliche Stellung erlischt, wenn:

… der Betrieb aufgelöst wird;

… der Betrieb in Konkurs geht;

… der Betrieb verkauft wird;

… der Person gekündigt wird und sie keine arbeitgeberähnliche Stellung mehr innehat.

Die Details

In der Praxis ist die Regelung für den Bezug von Arbeitslosengeld von Personen mit arbeitgeberähnlichen Stellung nicht immer glasklar. Wir haben für Sie zum besseren Verständnis ein paar Praxisbeispielfälle herausgepickt:

Fall 1:

  • Ein Geschäftsführer einer GmbH wird entlassen.
  • Er verliert damit seine Einzelunterschriftsberechtigung.
  • Er bleibt weiterhin Gesellschafter mit seiner bisherigen Stammeinlage von CHF 12'000.
  • Kein Anspruch auf ALV. Grund: Er verbleibt in arbeitgeberähnlicher Stellung.

Fall 2:

  • Eine Verwaltungsrätin besitzt 2 Prozent der Aktien.
  • Sie verfügt über eine Kollektivunterschrift zu zweit.
  • Der Verwaltungsratspräsident hält 95 Prozent der Aktien.
  • Er verfügt über eine Einzelunterschrift.
  • Die Verwaltungsrätin hat keinen Anspruch auf ALV. Grund: Der Ausschluss ist unabhängig des Aufgabenbereichs der Verwaltungsrätin sowie der internen Aufgabenteilung.

Fall 3:

  • Ein technischer Direktor wird von seinem Arbeitgeber entlassen.
  • Er war auch Verwaltungsrat mit Kollektivunterschrift zu zweit.
  • Die Firma geht Konkurs, zum gleichen Zeitpunkt verlangt der Direktor Arbeitslosengeld.
  • Der Direktor bleibt nach der Konkurseröffnung in arbeitgeberähnlicher Stellung, weil die Löschung im Handelsregister noch nicht erfolgt ist.
  • Die Liquidation der Firma wird von einer Konkursverwaltung durchgeführt.
  • Anspruch auf ALV. Grund: Der Direktor war nicht als Liquidator der Firma eingesetzt, es bestand kein Missbrauchsrisiko.

Fall 4:

  • Ein Geschäftsführer einer AG ist gekündigt.
  • Er amtet weiterhin als Liquidator der Firma.
  • Er bleibt Mehrheitsaktionär und Verwaltungsrat.
  • Kein Anspruch auf ALV. Grund: Er kann die Weiterführung des Geschäfts bis zu dessen Verkauf oder Auflösung beschliessen.

Fall 5:

  • Ein Geschäftsführer erzielt mit seiner GmbH seit geraumer Zeit keinen Umsatz mehr.
  • Der Betrieb wird vorübergehend stillgelegt.
  • Kein Anspruch auf ALV. Grund: Eine vorübergehende Stilllegung der Firma und die Absichtserklärung, sie zu liquidieren, beendet die arbeitgeberähnliche Stellung nicht.

Fall 6:

  • Ein Arbeitnehmer mit arbeitgeberähnlichen Stellung war bereits während acht Monaten in einem anderen Betrieb beschäftigt.
  • Er verliert diese Anstellung.
  • Anspruch auf ALV. Grund: Wer mindestens sechs Monate in einem anderen Betrieb arbeitet, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld. Auch wenn seine arbeitgeberähnliche Stellung im Erstbetrieb andauert.

Möchten Sie detailliertere Informationen zur Arbeitslosenversicherung von Personen mit arbeitgeberähnlicher Stellung? Lesen Sie die Anwendungsrichtlinien des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung.

Das Fazit

Für das Recht auf Arbeitslosenentschädigung darf sich eine Person nicht in arbeitgeberähnlichen Stellung befinden. Die Arbeitslosenkasse beurteilt den Fall individuell.

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